von Thomas Rünker

Bistum baut die Unterstützung von katholischen Organisationen bei Fällen von sexualisierter Gewalt aus

Das Bistum Essen hat sein Team von internen und externen Beraterinnen und Beratern erweitert, das Kirchengemeinden und andere katholische Einrichtungen unterstützt, wenn es dort einen Verdacht oder einen erwiesenen Fall von sexualisierter Gewalt gibt. Dass schon ein solcher Verdacht über die konkret Betroffenen hinaus für tiefe Verwerfungen in Gemeindegruppen gibt, hat die Aufarbeitungsstudie ausführlich untersucht und beschrieben.

Bistum verstärkt Unterstützung bei sexualisierter Gewalt mit erweitertem Beratungsteam.

Aufarbeitungsstudie beschreibt Spaltungstendenzen, wenn in Gruppen ein Verdacht auf sexualisierte Gewalt aufkommt.

Vielfältiger Beratungspool geht auf unterschiedliche Bedürfnisse in Krisensituationen ein.

Wenn in einer Kirchengemeinde, einem Verband oder einer Einrichtung ein Fall von sexualisierter Gewalt bekannt wird, betrifft dies nicht nur die direkt Betroffenen wie Opfer oder mögliche Zeugen sowie den oder die Täter. Oft löst diese Tat – oder auch nur ein Verdacht –sehr emotionale Reaktionen auch bei Menschen aus, die womöglich nur Gerüchte über Beschuldigungen hören. Als Konsequenz aus der vor einem Jahr vorgestellten sozialwissenschaftliche Aufarbeitungsstudie über sexualisierte Gewalt hat das Bistum Essen nun das Team von Beraterinnen und Beratern deutlich vergrößert, die in solchen Fällen betroffenen Gruppen – etwa in einer Gemeinde –mit Rat und Hilfe zur Verfügung stehen.

Die indirekten Reaktionen auf sexualisierte Gewalt in Kirchengemeinden hat das Forschungsteam des Münchener Instituts für Praxisforschung und Projektberatung (IPP) für seine Studie im Bistum Essen ausführlich untersucht und beschrieben: „Nahezu durchgängig kam es zu Spaltungen in den Kirchengemeinden. Ein großer Teil solidarisierte sich mit dem Pfarrer, wenn der Vorwurf der sexualisierten Gewalt gegen ihn erhoben wurde, während ein anderer oft sehr kleiner Kreis um die Betroffenen wie z.B. die direkten Familienangehörigen sozial ausgegrenzt wurde“, heißt es in der Studie. Zudem sei erkennbar, „dass ein Großteil der Gemeindemitglieder, die Kenntnis von einem Vorwurf gegen einen Pfarrer bezüglich sexualisierter Gewalt bekamen, keinerlei Fokus auf Unterstützungsbedarfe möglicher Betroffener legten.“ Im Falle eines Missbrauchsvorwurfs haben sich Gemeinden also häufig eher hinter den Verdächtigen gestellt, als sich um Betroffene zu kümmern.

Vielfältigeres und vergrößertes Team von Beraterinnen und Beratern

Die IPP-Studie

Wie konnte und kann es zu sexualisierter Gewalt in den Pfarreien des Bistums Essen kommen – und wie kann diese Gewalt bestmöglich verhindert werden? Diesen Fragen hat sich das Bistum Essen mit der Beauftragung einer sozialwissenschaftlichen Studie gestellt. Diese Aufgabe hat ein Team des Münchener Instituts für Praxisforschung und Projektberatung (IPP) übernommen und seine Ergebnisse am 14. Februar 2023 in Essen vorgestellt. Seitdem hat ein Team des Bistums mit externer Unterstützung die umfangreichen Handlungsempfehlungen der Studie gesichtet und so aufbereitet, dass diese nun Schritt für Schritt umgesetzt werden können. Unter aufarbeitung.bistum-essen.de sind die zentralen Ergebnisse der Studie sowie das komplette Dokument abrufbar.

Vor diesem Hintergrund steht den Pfarreien und Einrichtungen nun eine zahlenmäßig und inhaltlich deutlich erweiterte Gruppe von vielfältig qualifizierten Menschen zur Verfügung, die „irritierte Systeme“ – so der Fachbegriff für Gruppen, die auf ein verstörendes Ereignis wie einen Missbrauchsverdacht reagieren – unterstützen können. „Wir haben bei der Erweiterung unseres Pools an Beraterinnen und Beratern darauf geachtet, ein möglichst vielfältiges Beratersystem zusammenzustellen, durch die wir auf verschiedenste Kompetenzen zurückgreifen können“, sagt Christina Nestler-Brall, die die Gruppe zusammengestellt hat. Ausgehend von einer Qualifikation zum Beispiel als Psychologe oder Psychologin, Supervisorin oder Supervisor, Systemischer Berater oder Systemische Beraterin sind verschiedene Kompetenzen in der Gruppe von internen und externen Fachleuten vertreten, zum Beispiel auch Mediation. Besonderes Augenmerk wurde dabei auf die Zusatzqualifikationen Psychotraumatologie, Traumafachberatung oder die Beratung in irritierten Systemen gelegt. „So können wir sowohl Einzelpersonen begleiten und kleine Teams – zum Beispiel die Seelsorgenden in einer Gemeinde – als auch größere Gruppen“, erläutert Nestler-Brall.

„Jeder Verdachtsfall von sexualisierter Gewalt ist anders und jede Gruppe, in der ein solcher Verdacht geäußert wird, reagiert anders“, betont Simon Friede, der Interventionsbeauftragte des Bistums Essen. „Es ist gut, dass wir nun nicht nur Betroffene deutlich besser betreuen können, als dies früher geschehen ist, sondern mit diesem breiten Pool an Beraterinnen und Beratern jetzt auch in der Lage sind, irritierte Systeme in Gemeinden, Verbänden oder kirchlichen Einrichtungen angemessen und professionell zu betreuen.“ Wichtigstes Ziel dabei sei, durch möglichst frühes und zielgerichtetes Handeln Verletzungen von Menschen in den „irritierten Systemen“ möglichst zu verhindern oder zumindest bestmöglich zu versorgen, so Friede.

Interventionsbeauftragter

Simon Friede

Zwölfling 16
45127 Essen

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