von Thomas Rünker

Fendrich: Gemeinden sollen ihre Kirchen aufräumen

Zum Abschied in den Ruhestand wirbt der bisherige Bistums-Beauftragte für Kirche und Kunst für eine zeitgemäße Gestaltung von Gottesdiensträumen.

Nach mehr als 25 Jahren als Beauftragter für Kirche und Kunst ist Herbert Fendrich am Freitagabend offiziell in den Ruhestand verabschiedet worden.

Zum Abschied warnte er davor, dass die Kirchen im Ruhrbistum „in Zukunft ganz schön alt aussehen“, weil es zu wenig Akzente für eine zeitgemäße Gestaltung gebe.

ZDK-Präsident Thomas Sternberg und Liturgiewissenschaftler Albert Gerhards warben für flexiblere Gestaltung von Kirchenräumen und eine Öffnung für neue Nutzergruppen.

„Wir werden in Zukunft ganz schön alt aussehen!“ Wenn es um die Gestaltung der Kirchen im Bistum Essen geht, sieht die Prognose von Herbert Fendrich düster aus. Auch zu seiner offiziellen Verabschiedung in den Ruhestand wollte der langjährige Bistums-Beauftragte für Kirche und Kunst am Freitagabend in der Mülheimer Akademie „Die Wolfsburg“ kein beschönigendes Blatt vor den Mund nehmen: Wenn ab dem Jahr 2030 wie geplant bistumsweit nur noch 80 bis 100 Kirchen regelmäßig zu Gottesdiensten einladen, „dann werden die meisten davon Kirchen des Historismus sein – also Kirchen, die schon bei ihrem Bau von gestern waren“, so Fendrich. Viele Pfarreien haben sich in ihren Pfarreientwicklungsprozessen dafür entschieden, vor allem große, oft stadtbildprägende, 100 bis 150 Jahre alte Kirchen langfristig zu erhalten. Das koste viel Geld, dass dann nicht für Modernisierungen von Gottesdiensträumen zur Verfügung stehe, sagte Fendrich – und rief zugleich zum Widerspruch gegen seine eigene Prognose auf: „So wird es kommen, wenn wir nichts dagegen tun!“ Fendrich warb in den Gemeinden für ein engagiertes Ringen in der Frage, in welchen Räumen die Christen künftig beten wollen, um viel Durchhaltevermögen, einen langen Atem – „und den Glauben an Wunder“. Ohne solche „Wunder“ hätte schließlich auch seine Bilanz nach mehr als 25 Jahren als Beauftragter für Kirche und Kunst deutlich schlechter ausgesehen, sagte Fendrich etwa mit Blick auf die gut 100 Kirchen, die bistumsweit seit 2005 außer Dienst gestellt wurden – und von denen bislang erst rund 30 hätten abgerissen werden müssen.

Moderne Kapellen in Krankenhäusern und in der Schalke-Arena

„In welchen Räumen feiern wir zukünftig Gottesdienst?“ hatte „Die Wolfsburg“ die Podiumsdiskussion zur Verabschiedung Fendrichs überschrieben – und ihm für diesen Abend Fachleute und Weggefährten an die Seite gestellt, die wie Fendrich einen offeneren und kreativeren Umgang mit Kirchenräumen fordern, um sie für möglichst viele Menschen attraktiv zu halten. Sowohl Fendrichs früherer Chef, der Pastoraldezernent des Ruhrbistums, Michael Dörnemann, als auch der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZDK), Thomas Sternberg, betonten, dass es Kirchenschließungen und -abrisse zu allen Zeiten gegeben habe. Sternberg verwies zudem darauf, dass die aktuellen Kirchenschließungen „vor allem im Kirchbauboom der Nachkriegszeit“ ihren Grund hätten. Doch „trotz der vielen überzähligen Kirchen dürfen wir den Bau von Kirchen nicht aufgeben!“, forderte Sternberg. Im Ruhrbistum hätten in den vergangenen Jahren weniger die Gemeinden als vor allem Krankenhäuser Kirchen und Kapellen grundlegend renoviert, sagte Fendrich. Sie hätten dabei genauso auf das Know-how des Bistums zurückgegriffen wie der Fußballverein Schalke 04, der in seinem neuen Stadion unbedingt eine Kapelle haben wollte.

Kirchen für andere Nutzer öffnen

Albert Gerhards, Liturgiewissenschaftler aus Bonn, warb dafür, dass Gemeinden ihre Kirchen auch für die Nutzung durch andere Gruppen öffnen, zum Beispiel für Künstler. „Es geht um Gruppen, denen – wie den Gemeinden – mehr am Herzen liegt, als nur das Eigeninteresse.“ Durch eine solche Öffnung könnten Gemeinden mit ihren Kirchen „wieder ganz neue Mitspieler in der Gesellschaft werden“. Auch bei einer vielfältigeren Nutzung solle „der spirituelle Charakter“ einer Kirche erhalten bleibe, forderte Gerhards. Dies sei nicht nur im Interesse der Gemeinde – schließlich gebe es in der Gesellschaft auch darüber hinaus ein Interesse an spirituellen Räumen. Und über eine Aufteilung der Kosten bei einer Kirchennutzung durch verschiedene Gruppen müsse man natürlich auch reden. Wichtig sei, „dass Kirchen offen sind“, forderte Gerhards. „Eine Kirche, die nur einmal die Woche eine Stunde lang für eine Handvoll Gläubige öffnet, hat keine Zukunft!“

Gottesdiensträume für flexiblere Nutzung einrichten

Schon für eine flexiblere Gottesdienst-Nutzung – jenseits der Heiligen Messe – seien viele Kirchen baulich nicht ausgerichtet, hoben alle Referenten hervor. Dabei sei absehbar, dass in den Gemeinden schon aufgrund des Priestermangels in Zukunft viel häufiger Wortgottesdienste und kleinere Gebetsrunden gefeiert würden, prognostizierte Sternberg. So warben die Fachleute für schneller umräumbare Stühle anstatt starrer Kirchenbänke und „ein Aufräumen unserer Kirchen“, so Fendrich. Künftig seien in Kirchen kleinere und flexiblere Bereiche nötig und eher schlichter gestaltete Räume angesagt, die „mehr Gemeinschaft, mehr Kommunikation“ ermöglichen.

Letztlich hätten es die Gemeindemitglieder selbst in der Hand, waren sich die Diskussionspartner einig. Sternberg warb für ein Engagement der Christen vor Ort: „Die Pfarrei interessiert mich kaum, aber für meine Gemeinde kämpfe ich“, sagte der ZDK-Präsident und gab das Motto „Kirche selber machen!“ aus. Pastoraldezernent Dörnemann betonte: „Wichtig sind die pastoralen Konzepte für die Nutzung einer Kirche. Aber ich wäre der letzte, der verhindert, wenn eine Gemeinde ihre Kirche auf den Stadtteil hin öffnen möchte.“ Er habe die Hoffnung, dass „gerade durch viele Initiativen vor Ort doch mehr Kirchen erhalten bleiben, die dann ganz unterschiedliche Nutzungen haben werden“.

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