von Ludger Klingeberg

Freihandel gerecht gestalten

Gesellschaftspolitischer Rat des Bischofs diskutierte über Chancen und Gefahren von Handelsabkommen

Über Chancen und Gefahren des Freihandels diskutierten Ökonomen in der Katholischen Akademie „Die Wolfsburg“ in Mülheim. Mehr als 100 Zuhörer waren der Einladung des Rates für Land- und Forstwirtschaft des Bischofs von Essen und der Akademie gefolgt.

Marlies Schmitz, Sprecherin der Rates, betonte in ihrer Begrüßung die Wichtigkeit des Themas: „Unser Auftrag in der Gesellschaft ist es, das Miteinander positiv zu gestalten. Auch Handelsabkommen tragen dazu bei, dass wir in der Welt gut miteinander auskommen.“ Gleichzeitig mahnte sie einen kritischen Blick an, wie ihn auch Papst Franziskus in seiner Enzyklika Laudato Si fordert. Es sei notwendig, sich ein eigenes, ehrliches Bild von den Dingen zu machen. Auch dazu wolle der Rat die Diskussion über den Freihandel nutzen.

Die positiven Folgen des Freihandels betonte Professor Dr. Wim Kösters, Mitglied im Vorstand des RWI - Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung. Folgen des wirtschaftlichen Zusammenwachsens seien ein wachsender Wohlstand in den beteiligten Ländern sowie eine weltweite Senkung der Armut. Es gebe jedoch auch Verlierer: Niedrig qualifizierte und wenig mobile Arbeitskräfte sowie Unternehmen, die sich nicht an neue Rahmenbedingungen anpassen, könnten im Wettbewerb nicht mithalten. Hier, so Kösters, sei es notwendig, Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass diese Verlierer zu Gewinnern würden. Aus seiner Perspektive müssen dazu besonders Internalisierungs- und Anpassungskosten in der ökonomischen Debatte und im gesellschaftspolitischen Entscheidungsfindungsprozess stärker mit berücksichtigt werden. Nur so könne es gelingen, alle Menschen auch wirklich an der Globalisierung nachhaltig teilhaben zu lassen.

Ausgestaltung kritisch hinterfragen

Ein grundsätzlicher Konsens bestand in der von Akademiedozent Tobias Henrix moderierten Diskussion darüber, dass am Freihandel kein Weg vorbeiführt. Die mögliche Ausgestaltung, besonders der Verhandlungen zu bilateralen Handelsabkommen, jedoch wurde kontrovers diskutiert. So warnte Sven Giegold, Grünen-Politiker im Europäischen Parlament und Mitbegründer von attac Deutschland, dass heutige Handelsverträge an vielen Stellen die Demokratie angriffen, weil demokratische Werte als Handelshemmnisse gesehen würden, die ausgeschaltet werden müssten. Er forderte, nicht nur wirtschaftliche Interessen zu maximieren, sondern vor allem globale und soziale Werte zu globalisieren. Gemeinsame soziale Rahmenbedingungen, wie sie sich in Europa entwickeln, seien für einen gerechten Welthandel unverzichtbar.

Für einen kritischen Blick setzte sich auch Dr. Bernd Lüttgens, stellvertretender Geschäftsführer des Rheinischen Landwirtschaftsverbandes, ein. Zwar sei es notwendig, den Handel weiterzuentwickeln, und es gebe auch positive Entwicklungen durch die Marktöffnung. Jedoch müsse man Vor- und Nachteile genau abwägen und etwa die hohen Produktionsstandards, die in Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern gelten, auch bei einer Öffnung der Märkte zu schützen.

Demgegenüber forderte Kösters, dass man auch einen System-Wettbewerb zulassen müsse. Nicht immer sei gesichert, welcher Standard der beste sei. Eine Zentralisierung von Standards sei daher weder möglich noch wünschenswert. Vielmehr gehe es darum, grundsätzliche Regeln festzulegen, die von allen Partnern akzeptiert werden. Hier seien besonders Nordamerika und Europa gefragt, die auf einer gemeinsamen Wertebasis nicht zulassen dürften, dass andere diese Regeln setzen. Lüttgens wiederum warnte davor, allzu viele Kompromisse einzugehen. Es sei schwierig, dadurch vernünftige Standards durchzusetzen.

Forderung nach mehr Transparenz

Einig waren sich die Podiumsteilnehmer in ihrer Forderung nach mehr Transparenz. So merkte Giegold an, dass die Gesellschafft sich in einer Situation befinde, in der eine breite Masse den Institutionen nicht mehr vertraue. Handelsverträge seien schon immer intransparent verhandelt worden, in Zeiten der Digitalisierung habe sich jedoch die Informationslage deutlich verändert, so dass viele Menschen viel kritischer nachfragten. Diese Entwicklung begrüßt er und forderte Transparenz in den Verhandlungen, die auch zu kritischen Nachfragen und damit zu besseren Ergebnissen führen könnten. Gleichzeitig forderte der Politiker eine gesellschaftliche Diskussion: Wirtschaftsverbände, Zivilgesellschaft, aber auch die Kirchen müssten gemeinsam beraten, welche Regeln Abkommen brauchen, und wie sie so ausgestaltet werden können, dass sie einen gerechten Handel ermöglichen.

Die Gesellschaftspolitischen Räte des Bischofs

Die in der Wolfsburg ressortierenden Gesellschaftspolitischen Räte beraten in ihrer Funktion den Bischof von Essen und gestalten gesellschaftspolitische Prozesse im Ruhrbistum aktiv mit. In den Räten sind bedeutsame Akteure der Region aus diesen einzelnen Themengebieten tätig. Sie tagen mehrmals im Jahr in internen Ratssitzungen und Arbeitsgruppentreffen, bieten in ihren jeweiligen Jahresveranstaltungen aber auch offene Plattformen, um interessierten Gästen die Möglichkeit zu geben, am gesellschaftspolitischen Diskurs des Bistums aktiv mitzuwirken.

Der Rat für Land- und Forstwirtschaft im Bistum Essen hat sich im Februar 2000 konstituiert. Sein Anliegen ist es, über die Situation der Land- und Forstwirtschaft im Ruhrbistum zu informieren, auf Tagungen aktuelle Probleme des ländlichen Raums zu diskutieren, Zukunft zu gestalten und dadurch einen Beitrag zur Bewahrung der Schöpfung zu leisten.

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